Das Böse oder Bedrohliche lauert überall im Außen …

Angsterkrankungen

Was ist Angst?

Ich krieche durch die Ritzen und bleibe in den Kleidern hängen, ich verflache das Atmen und verenge den Platz eines Menschen in der Welt.
Dabei bin ich doch so nützlich. Ich passe auf, dass jemand nicht an die heiße Herdplatte fasst oder eine Steckdose auseinandernimmt. Ich sorge dafür das Autofahrer an der roten Ampel anhalten und jemand Versicherungen abschließt. Ich verhindere, dass Menschen bei Sturm ins Meer gehen oder bei Blitzschlägen über die Weise laufen. 
Wäre ich nicht, gäbe es viel mehr Unglück auf dieser Welt. 
Vielleicht hängt mein schlechter Ruf damit zusammen, dass immer, wenn man mich spürt, auch das Unglück präsent wird, das ich gerade verhindern will. 
Jeder braucht mich, doch keiner niemand liebt mich. 
(Auszug aus dem Buch: ABC der Gefühle)

Angst ist ein lebensnotwendiges Gefühl. Es ist wertvolles Erbe der Menschheitsgeschichte. Sie half unseren Vorfahren in der Form der real vorhandenen Ängste erfolgreich durch ihre gefährliche Umwelt zu kommen. Die Furchtlosen gerieten unter das Mammut oder wurden vom Säbelzahntiger erbeutet und starben aus. Das Überleben unserer Art gründet sich auf den körperlichen Signalen die durch Ängste entstehen und ermöglicht uns eine angemessene Reaktion auf den Angstauslöser. 

Wir reagieren auch heute, wie früher, mit Angst, wenn eine potentielle Bedrohung, ob sichtbar (Blitz und Donner) oder unsichtbar (terroristische Attacke, Radioaktivität, Klimawandel etc.) wahrgenommen wird. 

Das unterscheidet auch gesunde von den krankhaften Ängsten. Gesunde, „normale“ oder hilfreiche Ängste sind realitätsbezogen. Das bedeutet es gibt einen Auslöser, der wirklich bedrohlich ist (Bsp.: jemand zielt mit einer Pistole auf mich). Zudem sind sie im Ausmaß angemessen (Bsp.: die Pistole kann mein Leben bedrohen). Damit ist gemeint, dass unsere Angstreaktion passend ist zum Auslöser: ein Hund, der mich hinter dem Zaun anbellt, macht z.B. weniger Angst als ein Löwe, der vor dem Zaun steht und das Maul aufreißt.
Als letztes Merkmal der „normalen“ Ängste ist, dass sie aufhören, wenn der Angstauslöser verschwindet (Bsp.: die Angst lässt nach, wenn die Pistole nicht mer auf mich zielt). Unser Körper ist recht clever und versucht immer so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen. Wenn keine Bedrohung vorhanden ist, muss der Körper auch keine energiekostende Stressreaktion auslösen.

Ein gewisses Maß an Angst verfügbar zu haben ist äußerst wichtig.
Sie führt dazu, dass z.B. unsere eigene Sicherheit oder die nahestehender Personen nicht gefährdet wird. Auch die Reaktion auf Angst, zum Beispiel in Form von Flucht oder Kampf, können die bedrohliche Situation bzw. die drohenden bösen Objekte durch aktives Handeln beantworten. Das kann ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, Stärke und Selbstsicherheit erzeugen. 

Was macht Ängste krankhaft? 

Kurz gesagt: Es ist ein ZU VIEL an Angst.

Krankhafte Angst basiert oftmals auf Fehlannahmen hinsichtlich der Auslöser: Eigentlich nicht-bedrohliche Situationen, Dinge oder Personen lösen eine heftige Angstreaktion aus (Bsp.: Wir sehen im Fernseher ein Mann mit einer Pistole). Es ist, als ob es ein überaktiver Angstsensor überreagiert und bereits auf nicht direkt bedrohliche Reize eine heftige Reaktion erzeugt. Der Körper gerät in den Alarm- und Stressmodus.

Das eigentlich hilfreiche System („ein wirklich bedrohlicher Reiz führt zu angemessener Angstreaktion“) läuft aus dem Ruder und bekommt eine zunehmende Eigenaktivität. Die Betroffenen haben das Gefühl immer weniger Kontrolle zu haben und geben sich dafür oftmals auch die Schuld und fühlen sich schwach und unzulänglich. Die Ängste können so heftig sein, dass sie immer länger andauern und sich auch in immer mehr und verschiedene Bereiche ausweiten. 

Da die Angstreaktion eine heftige körperliche Stressreaktion erzeugt, versuchen Angstpatienten häufig die auslösende Faktoren zu meiden. Das führt dazu, dass die Alltagsgestaltung zunehmend schwieriger wird und oftmals immer mehr Rückzug („Flucht vor dem Gefühl“) stattfindet. Die Angst bekommt immer mehr Überhand und wird zum dominierenden Gefühl. Im Gegensatz zu „gesunden“ Ängsten entsteht kein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Stärke, sondern von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Dadurch führt Angst auch nicht mehr zu Schutz und Sicherheit, sondern schränkt das Leben immer mehr ein, da wir immer und überall Bedrohung befürchten. Angstvermeidung um jeden Preis wird zur beherrschenden (Lebens)Einstellung.

Spätestens wenn Betroffene an dem Punkt angekommen sind, dass der normale Alltag wegen der Ängste nicht mehr bewältigt werden kann, ist eine ärztliche und psychotherapeutische Begleitung erforderlich.

Typische Symptome bei Angsterkrankungen

KörperlichPsychisch / DenkenUnbegründete Sorgen und Befürchtungen in Bezug auf
Rascher Herzschlag
Schwindelgefühle
Schwächegefühl
Atemnot
Beklemmung
Weiche Knie
Schwitzen
Harndrang
Trockener Mund
Muskelverspannungen
Schmerzen
Schlafstörungen
Besorgnis
Beklommenheit
Aufgeregtheit
Innere Unruhe
Außer sich geraten
Reizbarkeit
Neben sich stehen
Gefühl von Kontrollverlust
Panik
Todesangst
Weltuntergangsgedanken
Familiäre / soziale Beziehungen
Verluste
Arbeit und Leistung
Gesundheit
Finanzen
Gute Mutter / Vater sein
Versagen
Alltägliches

Achtung: Körperliche Symptome können ein Hinweis auf eine Angststörung sein!

Welche Angstformen sind häufig?

Panikstörung

Wiederholte unerwartete Panikattacken (starke Angstanfälle) mit körperlichen (Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Missempfindungen, Übelkeit) und psychischen Symptomen (Angst bis hin zu Todesangst, Angst vor Kontrollverlust, Fremdheitsgefühl)

Agoraphobie

Das ist auch eine Phobie, mit z.B. Befürchtung das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein, alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. 

Die Agoraphobie kann auch zusammen mit Panikattacken auftreten.

Soziale Phobie

Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen bis hin zu sozialem Rückzug führt. Als bedrohlich empfunden werden z.B. Treffen oder Gespräche mit anderen Personen, der Besuch der Schule oder der Universität. Typische Symptome sind Erröten, Händezittern, Anspannung, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern.

Spezifische Phobien

Furcht vor und oftmals auch Vermeidung von bestimmten Dingen oder Situationen. Häufige Phobien sind:  Prüfungsangst, Höhenangst oder Angst vor engen Räumen, Angst vor Tieren (z.B. Spinnen) oder auch Angst vor Blutentnahmen oder Injektionen. 

Generalisierte Angststörung

Bei der generalisierten Angststörung ist die Angst oftmals in ganz vielen Lebens- und Alltagssituationen vorhanden, z.B. sich ganz viel Sorgen machen, häufige Anspannung oder Befürchtungen. Typische Beispiele sind die ständige ängstliche Besorgnis z.B. dass Familienmitgliedern etwas passieren könnte, dass man seinen Beruf verliert, Angst bezüglich der eigenen Gesundheit oder der Gesundheit von Familienmitgliedern oder Angst hinsichtlich der finanziellen Absicherung 

Therapie der Angsterkrankungen

Gegen Angst hilft Mut. Mut sich der Angst zu stellen und der Angst nicht so viel Macht zu geben.
Trauen Sie sich wieder mehr in den Alltag – eventuell mit Begleitung und Unterstützung.
Rückzug und Vermeidung geben der Angst immer mehr Stärke und kann sie teilweise so übermächtig werden lassen, dass sie Ihren Alltag bestimmt.
Wieder aktiver zu werden und selbst zu erleben, dass Sie trotz oder mit den Ängsten etwas machen und eventuell verändern können, kann Ihnen einen Gefühl von Sicherheit und Selbstvertrauen zurückgeben.


Wenn Sie alleine nicht gegen die Angst ankommen: Holen Sie sich frühzeitig Hilfe!
Hilfe annehmen ist keine Schwäche, sondern beweist Stärke und Mut, sich den Problemen zu stellen.
Die Wirksamkeit der Psychotherapie zur Behandlung von Angsterkrankungen wurde in vielen Studien belegt. Die psychotherapeutische Behandlung wird in den aktuellen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften zur Therapie von Angsterkrankungen empfohlen.


Stiftung Gesundheitswissen: Was ist eine Angststörung?

psychenet.de – psychische Erkrankungen

therapie.de – Angsterkrankungen

Leitlinien Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde