Wenn die Balance nicht mehr stimmt…

Schwindel

Sicheres Stehen und Gehen und sich umdrehen – eigentlich alles kein Problem, wenn das Gleichgewichtssystem des Körpers gut funktioniert. 
Dieses wird durch das fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, der Wahrnehmung der Umwelt durch die Augen und vielen Messsensoren in Muskeln, Gelenken und der Haut aufrechterhalten. Zusätzlich spielt das Kleinhirn eine wichtige Rolle bei der Bewegungskoordination. 

Ein gut aufeinander abgestimmtes und trainiertes Gleichgewichtssystem kann die Anforderungen im Alltag meistens problemlos bewältigen.

Wird jedoch eines oder mehrere der beteiligten Systeme gestört, sind wir nicht mehr im Gleichgewicht, laufen unsicher und Bewegungen werden unkontrollierter. 

Fast jeder kennt das Gefühl einer Gleichgewichtsstörung: Einige Medikamente wirken zum Beispiel dämpfend auf das Nervensystem und die Wahrnehmung und vermitteln einem ein Gefühl von Benommenheit und Unsicherheit. 
Ein anderes Beispiel: zu viel Alkohol. 
Auch hier kann man sich nicht mehr so kontrolliert auf den Beinen halten und Bewegungen werden ungenauer.  
Auch eine Karussellfahrt oder eine turbulente Bootsfahrt „schaukelt“ unser Gleichgewichtssystem durcheinander, so dass die verschiedenen Informationen aus dem Körper nicht mehr richtig zusammen passen, es entsteht ein Schwindel. 

Die Störungen des Gleichgewichts werden sinnvollerweise wie folgt unterschieden: 

  • Das Gefühl der Eigenbewegung des Körpers („Drehen“, „Schwanken“ und „Kippen“) oder eine Bewegungsempfindungen der Umwelt 
    (z. B. sich bewegende Bilder) bezeichnet man als Schwindel
  • Eine gestörte Wahrnehmung der Umwelt ohne Bewegungsempfindung wird als „Benommenheitschwindel“ bezeichnet. 
  • Probleme beim Stehen, Gehen und (manchmal auch im Sitzen) werden als Stand- und Gangunsicherheit bezeichnet. 

 Zur Klärung, was für eine Schwindelform vorliegt, helfen folgende Fragen:

  • Welche Art von „Schwindel“ liegt vor?
    Drehschwindel, Schwankschwindel, Benommenheitsgefühl, Gangunsicherheit
  • Wie lange dauert der „Schwindel“ an?
    Sekunden, Minuten, Tage, maximale Dauer
  • Wie häufig treten die Schwindelattacken auf? 
    Mehrfach täglich, mehrfach in der Woche / Monat, „ab und zu“
  • Gibt es auslösende oder beeinflussende Faktoren? 
    Lagewechsel (z.B. Drehen im Bett), Höhe, nach Medikamenteneinnahme, beim Aufstehen oder Wechsel vom Sitzen zum Stehen,  Blutdruckveränderungen, unregelmäßiger Puls, Husten / Pressen, äußere Faktoren (z.B. Stress und Belastung, Dunkelheit oderDämmerung, unebener Grund), Angst
  • Liegen weitere Symptome vor?
    Übelkeit / Erbrechen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Tinnitus / Ohrgeräusche, Hörminderung, neurologische Ausfälle (z.B. Lähmungen, Sprachstörungen).

Schwindel, Benommenheitsgefühle und Gleichgewichtsstörungen werden häufig auch durch Medikamente, Herz-Kreislauf-Probleme, Sehstörungen oder Stoffwechselstörungen verursacht.

  • Denke Sie daran beim Arzt neue Medikamente oder Änderungen der Dosis zu erwähnen. 
  • Messen Sie den Blutdruck, wenn bei Ihnen ein Bluthochdruck bekannt ist. 
  • Hat der Hausarzt schon Blut abgenommen, um zu schauen ob der Stoffwechsel in Ordnung ist?
  • Wurde seit dem Sie den Schwindel haben schon ein EKG gemacht?

Schwindeltherapie

Da das Gleichgewichtssystem gut anpassungs- und lernfähig ist, man bezeichnet das als “vestibuläre Kompensation”, sind Bewegung, Gleichgewichtssübungen und ein spezielles Schwindeltraining die ideale Therapie.
Der Körper und das Nervensystem können in jedem (!) Alter noch dazu lernen, Bewegungsmuster verbessern und mehr Kraft, Stabilität und Flexibilität bekommen. 
Dazu sind aber gezielte und regelmäßige “Trainingsimpulse” erforderlich. 
Nur durch wiederholte Reize kommt es zu einer Anpassung der Nerven- und Körperfunktionen. 

Anders ausgedrückt: “Wer rastet, der rostet” oder “Use it or lose it!”

Für den Lagerungsschwindel gibt es gut etablierte spezielle Lagerungsmanöver, die, wenn sie regelmäßig 2-3mal täglich durchgeführt werden, oftmals nach kurzer Zeit zu einer deutlichen Besserung oder Beseitigung des Schwindels führen. 

Bei funktionellen Schwindelformen spielt ihre Psyche Ihnen quasi einen Streich. Diese Schwindelform ist geprägt von z.B. Verunsicherung von Bewegung und geht häufig mit einer gestörten Körperwahrnehmung einher. Signal des Körpers – z.B. die Gleichgewichtsfunktion betreffend – können falsch interpretiert werden. Oftmals besteht auch eine Angst vor einem Sturz oder die Kontrolle zu verlieren, was wiederum die Bewegung hemmt.
Auslöser können z.B. Stress / Belastung, vorangegangene Sturzereignisse oder Schwindelereignisse, aber auch Depressionen oder Angststörungen sein. In diesen Fällen können die Gleichgewichtsprobleme oftmals durch die Kombination von gezielter körperlicher Aktivität („Mut zur Bewegung“) und einer begleitenden Psychotherapie und z.B. auch gezielten Entspannungsverfahren gut behandelt werden. 

Für andere Schwindelformen gibt es oftmals spezifische Medikamente, welche die Beschwerden gut kontrollieren können. Eine Dauertherapie mit Medikamenten ist jedoch in vielen Fällen nicht (!) erforderlich und sinnvoll. 

Nur in sehr seltenen Fällen ist bei Schwindel ein operativer Eingriff erforderlich!

Die Grundlage der Schwindeltherapie ist fast immer ein aktives Bewegungstraining. Dadurch lernt ihr Nervensystem sich an die neue Situation anzupassen und Ihnen wieder mehr Sicherheit und Stabilität im Alltag zu geben.


Deutsche Hirnstiftung: Schwindel

NDR Ratgeber Gesundheit